Schönbach/V. 
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Schönbach/V.  ist ein Waldhufendorf - was ist das eigentlich?

Wie die ersten Siedler ins Vogtland kamen

Man geht davon aus, dass im heutigen Vogtland bereits im 8.Jhd. Menschen lebten. Es waren Slawen und sie haben kaum Spuren hinterlassen. Nach der Gründung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahr 919 lag das Gebiet noch außerhalb der Reichsgrenzen.

Erst im 12. Jhd. wurde das Reich in Richtung Pleißenland, Erzgebirge und Egerland erweitert. Dazu schickten die Herrscher, speziell Friedrich Barbarossa, ihre Reichbeamten (Ministeriale) in diese Gegenden, um die Besiedlung durch Bauern aus anderen Gebieten zu organisieren. Im Vogtland wurde dazu Heinrich von Weida bestimmt, der zur Gefolgschaft des damaligen Königs gehörte. Er erhielt das Gebiet als Lehen, also als zeitlich begrenzte "Leihgabe". Damit verbunden waren die Pflicht zu Schutz und Ausbau des Landes, aber auch Einnahmen und Rechte, wie z.B. das Bergrecht oder das Recht, eigene Münzen zu prägen. Anfang des 13. Jhd. wurden diese Reichsbeamten erstmals mit dem Titel "advocatus" (Vogt) benannt. Von diesem Titel bekam das Gebiet seinem Namen. Während die Vögte am Anfang ihre Herrschaft noch regelmäßig vom König bestätigen lassen mussten, sicherten sie sich später das Erbrecht und waren selbstständige Landesherren. Da sie das Territorium nicht allein verwalten konnten, beauftragten sie damit sognannte Unteradlige, die kleiner Gebiete in ihrer Verantwortung hatten und diese meist von Rittergütern, später auch Burgen aus beherrschten. Dafür wurden auch verschiedene Privilegien von den Vögten quasi an sie weitergereicht. Zur bewegten Geschichte der Vögte und des Vogtlandes kann man sich umfassend in vielen Veröffentlichungen informieren

Von den deutschen Königen und den Vögten gefördert, siedelten sich ab dem 11. Jhd. immer mehr Bauern in unserer Gegend an. Sie kamen vermutlich aus Franken, Schwaben oder Thüringen. Motiviert wurden sie von der Chance, auf ausreichend eigenem Land zu wirtschaften, während in ihrer Heimat die Hofstellen durch Erbteilung immer kleiner wurden. Ein anderer Grund waren die Versprechen der Landesherrn auf niedrige Abgaben und Dienste in den neu besiedelten Gebieten. Ein gewisser Freiheitsdrang oder Abenteuerlust spielten bestimmt auch eine Rolle. In der Regel brachen die Siedler nicht einzeln, sondern in einem gemeinsamen Zug auf, der gut vorbereitet und oft sogar von einem "Locator" begleitet wurde. Die "Auswanderer" brachten Haus - und Ackergerät, Saatgut und oft sogar Vieh für den Neuanfang mit.

Wie unsere Dörfer entstanden

Im Vogtland fanden diese Siedlerzüge gute Bedingungen vor. Es war wald - und damit wildreich und es gab ausreichend Wasserläufe. Feindliche  "Alteingesessene" gab es nicht, das Gebiet war weitgehend menschenleer. Das Klima war rau, aber für Ackerbau geeignet. Allerdings musste in den meisten Fällen zuerst Wald gerodet werden - das spiegelt sich bis heute in Ortsnamen auf "- reuth" oder -rode" wieder. Bevor man damit begann, wählte man die Stelle genau aus. Günstig waren Wasserläufe mit leicht ansteigenden Ufern, denn das schützte vor Hochwasser. Die Lage sollte möglichst windgeschützt sein. Dafür eigneten sich besonders Auen von Bächen und ihre Mündungsgebiete. In Schönbach ist es der "Schöne Bach", der unseren Ort prägt und in Neumark mit dem Oberneumarker Bach zusammenfließt. 

Wenn der Wald gerodet war, legte man die Hofstellen an. Idealerweise lagen die in der Nähe des Wasserlaufs, allerdings ein wenig oberhalb. Parallel zum Wasser verlief dann auch der zentrale Fahrweg durch den Ort. Der Hof wurde meist mit der Querseite in diese Richtung ausgerichtet. Um sich einen weiten Weg auf die Wirtschaftsflächen zu sparen, lagen die Felder und Wiesen in einem langen Streifen  direkt hinter dem Hof. Diese Streifen wurden meist parallel und in gleicher Breite und Länge angelegt, um niemanden zu benachteiligen. Die Zuweisung an die Siedler wurde vom Locator bestimmt oder ausgelost. Die Höfe hatten eine Zufahrt nach "vorn" zum Hauptfahrweg und zum Dorf und eine nach "hinten" auf die Felder. In den Vierseithöfen, die heute in Schönbach erhalten sind, kann man diese Durchfahrten noch gut erkennen. Wenn man das Dorf von oben betrachtet, ziehen sich die Hofstellen in Reihe links und rechts an der Straße bzw. dem Wasserlauf entlang. Einen ausgeprägten Anger oder viele Querstraßen gibt es in der Regel nicht. Im Vogtland oder Erzgebirge ziehen sich solche Dörfer oft über viele Kilometer aneinandergereiht durchs Land.

Auch wenn diese Flurkarte auf den ersten Blick etwas verwirrend aussieht, man erkennt gut die lang gestreckte Ortslage und die links und rechts abgehenden schmalen Flurstücke. Die ursprüngliche Größe und Grenzziehung haben sich natürlich in den letzten Jahrhunderten stark verändert.



Dieser gezeichnete Lageplan einer Hofstelle in Schönbach zeigt sehr anschaulich die Hofstelle zur Straße hin  (im Bild ganz rechts am Rand) und die dahinter liegenden Felder und Wiesen. Sie folgen der Breite des Hofgrundstückes und ziehen sich lang nach hinten. Die Zeichnung wurde 1907 angefertigt, das Grundstück des Hofes wird von der Bahnlinie begrenzt. Im Laufe der Zeit wurden die Hufen häufig durch Erbteilung, Verkauf oder Rechtstreitigkeiten geteilt oder verkleinert. (Burghardt/privat)

Und was ist jetzt eine Waldhufe?

Mit dem Wort Hufe werden eigentlich 2 Dinge benannt. Die Hufe ist ein Flächenmaß, das bis ins 18.Jhd. verwendet wurde. Damit meinte man eine Fläche, die eine Bauernfamilie (das waren damals in der Regel mehrere Generationen, also eine Großfamilie) bewirtschaften konnte. Man ging davon aus, dass die  Erträge dann auch für alle zum Leben reichten.
Das Maß für eine Hufe ist in verschiedenen Gegenden sehr unterschiedlich. Es  richtete sich nach den Erträgen und dem Bearbeitungsaufwand der Böden Die Spanne reichte von  ca. 7,5 - 40 ha. Im Süden Deutschlands (also auch bei uns) wurde meist die fränkische Großhufe  benutzt. Das waren  ca. 24 ha. Einige Quellen nehmen aber auch an, dass aufgrund der eher ungünstigen Witterung in unserer Gegend das Hufenmaß teilweise auch größer war, etwa durchaus 40 ha. Oft wurden die Hufe noch detaillierter in Maße wie "Acker" oder "Morgen" unterteilt. Zu diesen Flächenmaßen gibt es umfangreiche und recht komplizierte Berechnungen, die man sich bei Interesse anschauen kann.
Die Hufe beschrieb aber nicht nur die Fläche, die der Bauer besaß. Sie war auch der Begriff für die Hofstelle selbst. Nach diesem Besitz berechneten sich die Abgaben, Rechte und Pflichten der Hofstelleninhaber. Als "vollwertiger" Bauer galt, wer wenigstens eine Hufe besaß. Familien mit weniger Land - z.B. eine Dreiviertelhufe oder eine Halbhufe - mussten in der Regel noch für andere arbeiten und galten als Kleinbauern. Nicht nur Bauern, sondern auch die Lokatoren oder die Kirche konnten vom Landesherrn Hufen erwerben oder leihen. Dieser Landbesitz hatte eine wichtige Bedeutung für das Ansehen und die Stellung des Hofherren im Dorf.
Ein Waldhufendorf ist also ein Dorf, das auf die oben beschriebene Weise angelegt und organisiert war. Der Begriff "Wald" im Wort bezieht sich auf die Besonderheit, dass in unserer Gegend die Acker - und Grünfläche der Hufen meist durch einen Streifen Wald begrenzt waren. Damit hatte man  sich Rodeaufwand gespart und konnte unabhängig Bau - und Brennholz gewinnen.

Vierseithöfe - wohnen und arbeiten 

Ein traditioneller Wohn - und Arbeitsort der Bauernfamilien in den Hufendörfern war der Vierseithof. Vierseithöfe entstanden im Laufe der Zeit aus den einfachen Hofstellen, wenn die Erträge zu einem gewissen bäuerlichen Wohlstand führten. Sie bestanden aus meist zweigeschossigen Gebäuden, die einen Wirtschaftshof umschließen. Das Wohngebäude richtet seinen Giebel zur Straße aus. Oft wurde mit Holz oder Fachwerk gebaut, später mit Ziegeln. Die Steinbauweise war auch eine Forderung des Brandschutzes, die bereits im 18. Jhd. aufkam. Zur Stabilisierung der Gebäude auch im Brandfall hatten sie oft Gewölbe. Im Hauptgebäude befanden sich im Untergeschoss noch lange die Ställe und die Wohnräume des Bauern nebeneinander. Manchmal gab es von dort einen direkten Zugang zum Stall. Wenn er über dem Stall schlief, wurde der Bauer früh vom Kettengeklirr oder dem Hufgetrappel der Tiere geweckt.

An diesen 3 älteren Hofansichten von Schönbach kann man gut die Lage quer und oberhalb zur Dorfstraße (unterhalb der Vorderseite), die vierseitige Bebauung und teilweise auch die Durchfahrten zur Straße erkennen. Alle Höfe liegen leicht oberhalb des Straßenniveaus. Auf der Rückseite führen Durchfahrten zu den Feldern. Häufig sind sie von einem Wirtschaftsgebäude überbaut. Auch die Scheunen quer zu Straße und Feld hatten oft Durchgänge, so dass man aus verschiedenen Richtungen mit größeren Fuhrwerken in die Höfe einfahren kann. Alle Durchfahrten verfügen über Tore, die zur Nacht geschlossen wurden. So war ein Vierseithof eine durchaus sichere Wohnstätte. (Sammlung Geppert/privat)

Die Wohnräume im Erdgeschoss  waren meist eine große Wohnküche und die "gute Stube". Besonders in der Küche fand das tägliche Leben der Hofbewohner statt. Man kochte, aß, hielt ein Mittagsschläfchen auf dem Kanapee  oder der Eckbank und mittendrin erledigten die Kinder ihre Schularbeiten an der Ecke des Küchentisches. Dort wurden auch Nachbarn zu einem Schwatz empfangen. Manchmal waren in einem Anbau oder ein paar Nebenräumen die Altbauern untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich Schlafkammern und Lagerräume. Die Schlafzimmer waren meist klein, die Decken aus Platzgründen niedrig und es gab keine Heizmöglichkeiten. Im Winter konnte es sein, dass der Atem auf der Bettdecke oder der Tee in der Tasse gefror. 

In den Seitengebäuden waren  Tiere, Futter und Saatgut untergebracht. Besonders an den Scheunen kann man heute noch gut erkennen, wie ausgeklügelt die bäuerlichen Wirtschaftsgebäude geplant waren. Sie bestanden aus einem hohen, oft über zwei Stockwerke reichendem Mittelraum - die Tenne. Sie bot genug Platz für große Erntewagen und konnte im besten Fall von 2 Seiten über große Tore befahren werden. So mussten die Fuhrwerke nicht wenden. Links und rechts davon war ein kleinerer Speicherraum abgetrennt - die Banse. Sie konnten bis zum First reichen oder einen Zwischenboden haben. Auf diesen Böden wurden Stroh, Säcke, Bretter o.ä. gelagert. Viele Scheunen waren teilweise unterkellert und mit klug eingebrachten Luken oder Kellerrutschen versehen. Von dort wurden Rüben oder Kartoffeln in die kühlen Keller gebracht.  Auch Ställe, die einen Heuboden hatten, wurden über Luken in der Decke beschickt. Ziel war es, bereits bei der Planung der Gebäude die Arbeitsabläufe kraftsparend und schnell zu machen. 

  • Man erkennt gut die Höhe ,die Dreiteilung der Scheune und das gegenüber liegende Tor.
  • In der Ecke der Tenne wurde eine Kammer mit abgesenktem Boden für die Dreschmaschine eingebaut.
  • An der Rückwand ist noch die Lehmbauweise zu sehen. Vorn rechts der Eingang zur Dreschkammer und eine alte Schrotmühle.
  • Nach oben sieht man die Höhe der Tenne und die Holzkonstruktion
  • In der Verlängerung des Daches nach oben hat es vermutlich einen Aufzug gegeben. Die oberen Scheunenböden wären sonst nicht zu befüllen


Die großen Ackergeräte wurden in Schuppen, unter einfachen Dächern an den Hauswänden - Schauern - oder in einer kleineren Scheune hinter dem Hof - der Feldscheune - aufbewahrt. Manchmal hatten die Scheunen oder Ställe noch einen besonderen Anbau - das Milchhaus. Dort wurden in gemauerten oder aufgestellten Wasser - Bottichen die Milchkannen kühl gehalten, sie wurden dort auch ausgescheuert und aufbewahrt. 

Im 20. Jahrhundert verfielen viele Nebengebäude  oder wurden abgerissen. Die Umgrenzung des Hofes fiel damit weg. Vieh und Speicher wurden vom Wohnhaus getrennt. Heute sind nur noch wenige Vierseithöfe in Schönbach komplett erhalten.

Natürlich gab es auch viele kleinere Höfe in Schönbach/V., die mit hohem Arbeitseinsatz  und viel Fleiß - manchmal in Nebenerwerb - bewirtschaftet wurden.



Kleinere Gehöfte waren weniger massiv gebaut und oft nach einer oder mehreren Seiten offen. Sie hatten häufig einen Gemüsegarten vor und eine Obstwiese hinter dem Haus. Auch Kleinvieh fand seinen Platz. Hier eine alte Zeichnung eines Hofes am Erlengrund und ein Foto aus dem Oberdorf. Da Datierung und Urheber sind nicht bekannt. (Sammlung Geppert)



Quellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Waldhufendorf/Stand Oktober 2024,                                                                                                                                                  https://de.wikipedia.org/wiki/Hufe#Hofgr%C3%B6%C3%9Fen_nach_Fl%C3%A4che/Stand Oktober 2024                                                                                                                                                                          https://vogtlandblick.de/geschichte/geschichte.html/Stand Oktober 2024,                                                                                                                                                                                                        https://www.agrarraum.info/lexikon/hufe/Stand Oktober 2024